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Reicht der Bachelor für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben?

Ein Fazit gleich vorweg: Langsam, aber doch beginnt sich Österreichs Wirtschaft mit der Bologna-konformen Studienarchitektur anzufreunden. Bachelor-Absolventen finden am österreichischen Arbeitsmarkt zunehmend Akzeptanz. Ein Master-Titel ist für einen erfolgreichen Berufseinstieg kein absolutes Muss mehr.
So beschäftigt die OMV weltweit Mitarbeiter aus über 70 Nationen. Darunter auch viele Bachelor-Absolventen. Als sich vor drei, vier Jahren auch in Österreich die ersten Bachelors unter den Bewerbern fanden, stießen sie auch aus diesem Grund beim Mineralölkonzern auf keinerlei Skepsis. "Wir wussten aufgrund unserer internationalen Ausrichtung von Anfang an, was der Bachelor ist und welche Qualifikationen mit dieser Ausbildung verbunden sind", sagt Georg Horacek, Personalchef der OMV. Damit unterscheidet sich der Konzern von vielen anderen Unternehmen. "Die österreichische Wirtschaft merkt erst nach und nach, dass diese Leute ganz normale Hochschulabsolventen sind, die für den Einstieg ins Berufsleben sehr gute Voraussetzungen mitbringen", erklärt Horacek. Gegenüber der relativ neuen Studienarchitektur des Bologna-Prozesses herrscht hierzulande nach wie vor Skepsis. Doch sie nimmt langsam ab.
Zu diesem Ergebnis kommt auch eine brandaktuelle Studie der Wirtschaftsuniversität Wien, die sich damit befasst, wie es um die Positionierung der Bachelor-Abschlüsse am österreichischen Arbeitsmarkt steht. Etwa 400 Personalverantwortliche in verschiedenen Unternehmen standen dafür Rede und Antwort. "Sieben Jahre nachdem die ersten Bachelor-Programme starteten, besteht nach wie vor ein großes Informationsdefizit über den Bologna-Prozess und seine Bedeutung für akademische Abschlüsse", sagt die Vizerektorin der WU, Edith Littich. Es dauere, bis sich der Bachelor in Österreichs Wirtschaft verankere. Misstrauen sei nach wie vor wahrnehmbar. Gründe dafür sucht Littich selbstkritisch unter anderem in den eigenen Reihen -und findet sie auch. Als der Bologna-Prozess begann, hätten sowohl die Wirtschaft als auch die Universitäten selbst das neue Ausbildungsmodell schlechtgeredet. "Immer wieder wurde den Studierenden gesagt: Der Bachelor, das ist ja kein akademischer Abschluss. Ohne Master werdet ihr keine Jobs finden!", erinnert sie sich.
Verspätete Anerkennung. Verschärfend kam hinzu, dass sich der gesamte öffentliche Dienst bis Ende 2011 weigerte, den Bachelor als akademischen Grad anzuerkennen. Erst mit der Beamtendienstrechtsnovelle im November 2011 wurde beschlossen, dass Bachelor-Absolventen alle Akademiker-Funktionen bis hin zum Sektionschef offenstehen. Gehaltsmäßig wurden sie zwischen Maturanten und Master eingestuft, wobei für Neueintretende allerdings das Dienstrecht für Vertragsbedienstete gilt, das die frühere Einstufung in A-, B- und C-Beamte nicht mehr kennt. Als Akademiker zweiter Klasse fühlt sich nach einem anspruchsvollen Studium aber niemand wohl. Kein Wunder also, dass sich viele Studierende gleich für eine Fortsetzung ihrer Ausbildung entscheiden. An der WU Wien sind es zwischen 50 und 60 Prozent, die unmittelbar an den Bachelor das Master-Studium anhängen. Bei den Studienrichtungen Wirtschaftspädagogik und Wirtschaftsrecht sind es noch wesentlich mehr. Denn der Master ist bei dem einen Studium Voraussetzung für die Berufsausübung und bei dem anderen zwingend notwendig, wenn man einen klassisch juristischen Beruf wie Notar, Richter oder Rechtsanwalt ergreifen will.
Sprung in den Job. Sabine Eder kennt die Problematik. Sie hat im Sommersemester 2012 ihr Betriebswirtschaftsstudium an der Universität Wien beendet, um im Herbst ohne Pause den Master zu beginnen: "Für mich war ganz klar, dass ich sofort den BWL-Master anhängen werde. Während des Studiums wurde uns von Professoren immer wieder ins Gesicht gesagt, dass wir mit dem Basisstudium alleine schlechte Chancen hätten, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen."
Unkenrufe, die sich jedenfalls bei der Jobsuche von Eder überhaupt nicht bewahrheiteten. Unmittelbar nach Abschluss ihres Studiums begann sie als Tax Assistant beim Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater Deloitte Teilzeit zu arbeiten. Ihre Tätigkeit macht ihr viel Spaß. Die Belastung, neben dem Job noch zu studieren, nimmt sie deshalb gerne in Kauf: "Ich habe zwar sehr viel an Grundlagenwissen vermittelt bekommen, aber das reicht mir nicht. Ich will mich noch mehr spezialisieren."
Nicht der Titel zählt. Von ihrem Arbeitgeber wird sie bei ihrem Vorhaben sehr unterstützt, wenngleich ein Master-Studium keine zwingende Voraussetzung ist, um bei Deloitte Karriere zu machen. "Wir haben schon vor einiger Zeit entschieden, dass wir uns vor dem Bachelor-Abschluss keinesfalls verschließen wollen. Ob Bachelor, Master oder Magister, für uns kommt es immer noch entscheidend darauf an, welches Engagement der konkrete Bewerber mitbringt", sagt Margareta Holz, HR-Verantwortliche und Partnerin von Deloitte. Allerdings habe man erkennen müssen, dass es Bereiche gibt, die sich für den Einsatz von Bachelor-Absolventen besser eigneten als andere.
In der Steuerberatung etwa, wo es sehr auf konzeptionelles Arbeiten ankäme, hält Holz eine "volle" Ausbildung für besser. Und auch in der direkten Beratung von Kunden sei es schwierig, mit den meist noch sehr jungen Akademikern zu überzeugen. "Wir merken da eine gewisse Reserviertheit seitens unserer Klienten, weil sie professionelle Kompetenz natürlich auch mit langjähriger Berufserfahrung verbinden. Die kann ein 21-Jähriger noch gar nicht haben", sagt Gerald Vlk, Wirtschaftsprüfer bei Deloitte und zuständig für Finance & Accounting Solutions. Bei den Magistri wäre das nicht so sehr ein Thema gewesen, weil sie im Schnitt doch ein paar Jahre älter waren. Bessere Möglichkeiten gebe es hingegen im Bereich des Controllings, des Rechnungswesens und der Buchhaltung. "Gerade hier entlasten wir unsere Klienten immer häufiger, wenn ihnen die nötigen Kapazitäten im Haus fehlen, und zwar mit tatkräftiger Unterstützung unserer Absolventen. Das bewährt sich hervorragend", so Vlk.
Unbedingt den Master zu machen, dafür sieht auch Qian Quian Yang, Audit Assistant im Bereich Wirtschaftsprüfung bei Deloitte, nach ihrem jetzigen Erfahrungsstand keine Notwendigkeit: "Es würde für mein derzeitiges Aufgabengebiet überhaupt keinen Unterschied machen, ob ich den Master oder 'nur' den Bachelor vorzuweisen habe. Ich lerne tagtäglich dazu, und zwar bei meiner Arbeit und bei den vielen internen Schulungen. Mein Ziel ist also nicht primär ein Master, sondern Wirtschaftsprüferin zu werden. Das ist auch mit dem Bachelor möglich." Offen stehen den Bachelor-Bewerbern auch die Türen bei der Bank Austria.
Schon 14 Absolventen wurden alleine dieses Jahr in Österreich aufgenommen. Den Großteil seiner neuen Mitarbeiter lernt der Finanzdienstleister im Zuge eines Praktikums kennen, das bei allen Studien an Fachhochschulen verpflichtender Bestandteil des Curriculums ist. "Für uns eine hervorragende Gelegenheit, die jungen Leute kennenzulernen. Uns interessiert, wie jemand sein Wissen in der Praxis umsetzt, wie teamfähig er ist und welches Potenzial in ihm steckt. Der Titel ist nicht entscheidend", sagt Elke Berger, Leiterin von HR & Operations. Deshalb ist man auch bei der Bank Austria schon seit längerem dazu übergegangen, das Anforderungsprofil exakt zu definieren, bevor ein Job ausgeschrieben wird. "Wir überlegen uns, was jemand für diese Position können, welche Fähigkeiten man mitbringen muss. Welchen universitären Abschluss jemand hat, ist nicht primär relevant. Mit dieser Herangehensweise fahren wir bestens", sagt Berger.
Umso mehr, als es für das Unternehmen ohnehin selbstverständlich ist, in die Ausbildung jedes Mitarbeiters zu investieren. Dazu gehört auch, dass jene Bachelors, die sich für eine Master-Ausbildung entscheiden, unterstützt werden. "Ich kann mich an keinen einzigen Kollegen erinnern, der ausgeschieden ist, um sein Studium Vollzeit zu machen. Alle bleiben bei uns und schaffen es berufsbegleitend. Das ist für beide Seiten eine gute Lösung", so Eder.
Für Aneta Policarpova wäre ohnehin keine andere Variante möglich gewesen. Sie macht ihren Master für Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung an der Fachhochschule des bfi Wien, wo alle Master-Studiengänge ausschließlich berufsbegleitend angeboten werden. Deshalb ist sie nur an vier Tagen in der Woche in der Bank; Freitag und Samstag verbringt sie an der Fachhochschule. Abwechslungsreich sei diese Variante, manchmal auch anstrengend, sagt Policarpova.
Kein Vorteil für Master. Dabei glaubt sie gar nicht, dass der Master Garant für einen Karrieresprung im Unternehmen sei: "Ich mache diese vertiefte Ausbildung vor allem deshalb, weil sie mich interessiert. Weder gab es irgendeinen Druck seitens meines Arbeitgebers, noch habe ich die Erwartung, dass es nachher sofort von null auf hundert gehen wird", so die 21-Jährige. Auch ihr Kollege Xia Wu schätzt die Lage ähnlich ein. Er will nach Vollendung seines zweiten Bachelor-Studiums dennoch nebenberuflich den Master für International Banking und Finance am bfi anschließen. Der Kundenbetreuer ist davon überzeugt, dass der Bachelor in den letzten Jahren im Geschäftsleben an Bedeutung gewonnen hat. Dafür bringt er einen plakativen Beweis: "Ich habe früher in einer Filiale einer Elektrohandelskette gearbeitet und viele Handyanmeldungen durchgeführt. Auf den Online-Formularen gab es eine Rubrik 'akademischer Grad'. Die Möglichkeit 'Bachelor' anzuklicken, gab es damals aber auf keinem. Heute ist das nicht mehr so." Trotz des Imagewandels will er den Master-Titel bei seinem Namen stehen haben. "Es sind nur drei Semester mehr, die hart sind. Aber dann ist es auch schon wieder vorbei", so Wu zielstrebig.
Geringe Gehaltsdifferenzen. Einen großen Gehaltssprung bedeutet der Master jedenfalls nicht automatisch. "Auch hier gilt: Der Titel ist nicht das Kriterium für uns", erklärt Eder. Und weiter: "Es kommt viel mehr darauf an, für welches Geld der relevante Job am Markt eingekauft werden muss. Das ist für uns maßgeblich." Laut einer aktuellen Studie der WU liegen die momentanen Einstiegsgehälter der WU-Bachelors im Durchschnitt bei 2.260 Euro. Deloitte zahlt laut eigenen Angaben den Bachelors als Erstbezug 2.150 Euro und den Masters 2.250. Um die 2.500 Euro bewegt man sich bei der OMV und ist damit in der Einstufung laut Georg Horacek "leicht unter dem Master und dem Magister". Bei Roland Berger Strategy Consultants will man sich bezüglich Einstiegsgehälter generell nicht in die Karten schauen lassen. Bachelor-Absolventen verschiedenster Studienrichtungen beschäftigt die Unternehmensberatung allerdings gerne. Michaela Schwarzinger, HR-Managerin CEE bei Roland Berger, bestätigt, was die meisten Personalchefs betonen: "Auf den richtigen Auswahlprozess kommt es an. Die sozialen Kompetenzen und das Auftreten sind gerade in unserer Branche ganz entscheidend, das wird an den Universitäten häufig unterschätzt."
Förderung und Bindung. Bachelor-Absolventen, die dabei mit ihren Kompetenzen bei Roland Berger überzeugen, versucht das Beratungsunternehmen bei einer weiteren Ausbildung nicht nur zu unterstützen, sondern auch gleich fester an sich zu binden. Michaela Schwarzinger: "Wir haben ein eigenes Bachelor-Programm eingeführt. Wir unterstützen die Leute finanziell mit einem bestimmten Betrag, der es ihnen ermöglichen soll, die Zeit des Master-Studiums zu überbrücken. Danach kehren sie natürlich wieder zu uns zurück. Dieses Modell kommt den Wünschen unserer Mitarbeiter sehr entgegen."
Peter Trapp, der seinen Bachelor-Abschluss für Betriebswirtschaftslehre an der Uni Eichstätt-Ingolstadt gemacht hat, entschied sich dann für Roland Berger und dessen Förderprogramm. Für 2015 plant der Unternehmensberater seinen Master an einer der Top-Unis in London, Paris oder Fontainebleau: "Für mich ist dieser Weg ideal. Ich habe die Möglichkeit, das gesamte Berufsfeld kennenzulernen, das eröffnet mir völlig neue Perspektiven. Der Master bringt für mich dann noch zusätzliche Optionen, wenngleich ich auch als Bachelor nie ein Akzeptanzproblem bei unseren Kunden hatte."
Auch die OMV unterstützt jeden Bachelor bei der Master-Ausbildung, sofern das Unternehmen von seinem Potenzial überzeugt ist. Den jungen Leuten, die frisch von den Fachhochschulen und den Universitäten auf den Markt stoßen, wünscht Horacek jedoch eine gehörige Portion Selbstvertrauen und rät ihnen, sich selbstbewusst und vor allem unverzüglich dem Arbeitsmarkt zu stellen: "Wenn man nämlich erst mal im Berufsleben steht, erkennt man am besten, wo die eigenen Stärken liegen und auch, welche Qualifikationen am Markt tatsächlich gefragt sind."
Nach zwei, drei Jahren könne man sich dann immer noch überlegen, ob und wenn ja, welches Master-Programm das passende ist. Horaceks Fazit: "Natürlich soll man den Master nicht vergessen, aber auch wissen, dass er für die Karriere nicht lebensnotwendig ist."
Quelle: Format extra 02.2012