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Gekündigt im Krankenbett

Ja, darf der Chef das denn? Die Antwort: Er darf. Dennoch gibt es eine Chance, die Kündigung erfolgreich anzufechten.
Eine bittere Pille: Für eine Kündigung braucht es in Österreich üblicherweise keinen Grund. Auch nicht am Krankenbett. Einzig für die Zustellung des Blauen Briefes sind Vorgaben zu beachten. Bettlägerigen Kranken empfiehlt es sich, ihn durch einen Boten gegen Empfangsbestätigung aushändigen zu lassen, damit der Fristlauf gewahrt bleibt (z. B. Kündigung zum Monatsletzten).
Ganz wehrlos lässt der Gesetzgeber den Gekündigten dennoch nicht zurück. In Frage kommt eine Anfechtung der Kündigung (bis maximal zwei Wochen nach Kündigungszugang). Ob diese allerdings erfolgreich ist, hängt von einigen Faktoren ab. Wer nachvollziehen kann, was ein Richter im Verfahren prüft, erspart sich ein vielleicht aussichtsloses Verfahren.
Erste Frage: Wie viele Dienstnehmer arbeiten im Betrieb? Bei weniger als fünf (d. h. auch ohne Betriebsrat) hat eine Anfechtung nur in Ausnahmefällen Chancen. In einem so kleinen Betrieb überwiegt meist das Fortbestandsinteresse des Arbeitgebers.
Zweite Frage: Hat der Betriebsrat der krankheitsbedingten Kündigung zugestimmt? Falls ja, steht dem Betroffenen ohnehin kein Rechtsmittel mehr offen.
Dritte Frage: War die Kündigung grundsätzlich sozialwidrig? "Ungeachtet einer Erkrankung ist sie das, wenn der Mitarbeiter mindestens sechs Monate im Betrieb beschäftigt war und seine wesentlichen Interessen vom Jobverlust beeinträchtigt werden", erläutert der Mödlinger Anwalt Florian Plattner (Kanzlei bpv Hügel). Es sei denn, der Arbeitgeber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung aus Umständen erfolgt ist, die in der Person des Gekündigten liegen und betriebliche Interessen nachteilig berühren (§ 105 ArbVG). Meist steht hier Aussage gegen Aussage. Das Gericht muss notfalls mittels Expertengutachten feststellen, wie die Chancen des Gekündigten am Arbeitsmarkt stehen. In seiner jüngeren Rechtsprechung geht der OGH davon aus, dass ihm sechs bis acht Monate Suchzeit und zwölf bis 15 Prozent Einkommenseinbuße zumutbar sind. Unterhaltspflichten oder Alter werden aber natürlich berücksichtigt.

Interessenabwägung entscheidet

Vierte Frage: Wessen Interessen sind stärker beeinträchtigt? Jetzt wird wieder die Erkrankung einbezogen. Angenommen, der Mitarbeiter ist für voraussichtlich ein halbes Jahr außer Gefecht gesetzt. Kann der Dienstgeber seine Arbeit ohne größere Beeinträchtigungen auf andere Kollegen aufteilen? "Wenn beispielsweise 40 Leute dieselbe Tätigkeit ausüben, wird das wohl zumutbar sein", meint Anwalt Plattner. In anderen Fällen kann auf Temporärpersonal ausgewichen werden. Anders schaut es bei spezialisierten Tätigkeiten aus, die niemand auffangen kann - hier überwiegt das Arbeitgeberinteresse.
Fünfte Frage: Wer trägt die Schuld an der Erkrankung? Liegt es an arbeitsplatzbedingten Ursachen, wird es für das Unternehmen eng. Etwa ein Arbeitsunfall oder ein Burn-out, das durch Mobbing entstanden ist, wovon der Chef Kenntnis hatte (Fürsorgepflicht!). Selbst die Erkältungshäufung bei Schalterangestellten in der Grippesaison oder bei Straßenarbeitern muss der Dienstgeber einkalkulieren.
Umgekehrt geht es zulasten des Mitarbeiters, wenn er sich in der Freizeit als Mountainbiker etc. in Gefahr bringt.
Sechste Frage: Wie schaut die Prognose aus? Ein Unternehmen muss vernünftig planen können. So entschied der OGH sogar zugunsten eines Großbetriebes, der nach 126 Krankenstandstagen eines Mitarbeiters die Reißleine zog; in einem anderen Fall, nachdem der Mitarbeiter wegen eines Bandscheibenleidens 27 Prozent seiner Arbeitszeit ausgefallen war.
Gelingt die Anfechtung, muss der Arbeitnehmer wieder eingestellt werden, für die Zwischenzeit sind Entgeltansprüche auszuzahlen. Tendieren die oben gestellten Fragen nicht eindeutig in eine Richtung, einigen sich die Kontrahenten oft vorab auf einen Vergleich, was üblicherweise zusätzliches Geld für den Arbeitnehmer bedeutet.
Misslingt die Anfechtung oder man verschläft die Anfechtungsfrist, muss der Angestellte für die Länge der Kündigungsfrist jedenfalls das Entgelt fortgezahlt bekommen. Mindestens sechs Wochen, die sich mit fortlaufender Dienstzeit verlängern.
Achtung aber, sollte der Arbeitgeber eine einvernehmliche Kündigung anstreben! Willigt man ein, so endet mit dem Dienstverhältnis auch gleich die Zahlungspflicht. Danach gibt es bloß noch das deutlich geringere Krankengeld von der Krankenkasse.
Quelle: Gewinn, Mai 2013